Weitere Gedanken zum Weltfrauentag 2021 – ES GEHT NUR GEMEINSAM
von Antje Kolbe einem langjährigen Vereinsmitglied, lesen Sie mehr
Antje Kolbe
Gleichstellungsbeauftragte der SPD Fraktion USH -Lohhof,
jahrzehntelanges Mitglied im Verein für Fraueninteressen,
Dozentin zur Thematik „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ beim Neuen Start
Gedanken zum Weltfrauentag 2021 – ES GEHT NUR GEMEINSAM
Zum Thema ‘Wege zur Geschlechtergerechtigkeit‘ hat Jutta Allmendinger, eine der bekanntesten und einflussreichsten deutschen Soziologinnen eine Streitschrift mit dem Titel ‚ES GEHT NUR GEMEINSAM‘ geschrieben. Doch zunächst einige Fakten: CORONA hat ein Geschlecht und das ist weiblich! In den systemrelevanten Berufen leisten mehrheitlich Frauen die gesellschaftlich wichtige Arbeit unter erhöhtem Infektionsrisiko und unter hoher Belastung wie im Einzelhandel (Frauenanteil ca. 70 %), in der Pflege ca. 75 % und in den Erziehungs- und Lehrberufen über 90 %.
Bei den gleichzeitigen quarantäne- und infektionsbedingten (Teil-)Schließungen von Kita -Gruppen, Schulklassen und Pflegediensten übernehmen, wie schon im ersten Lockdown, mehrheitlich Frauen die zusätzlichen Aufgaben zur Versorgung und Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Familienangehörigen. Die Pandemie beherrscht unser Leben jetzt schon ein ganzes Jahr und so haben die meisten der Betroffenen ihre Ansprüche auf Urlaub und bezahlte Freistellungen ausgeschöpft. Besonders bei Alleinerziehenden waren die eigenen Kräfte schon vor dem zweiten Lockdown im Dezember lange erschöpft. Homeschooling und Home-Office klingen gut, sind aber gerade mit Kleinkindern oder Grundschüler/innen nur schwer zu vereinbaren. Meine Stadtratskollegin Dr. Birte Bode wird das bestätigen. Für die Patentanwältin und promovierte Diplom Physikerin ist konzentriertes, ungestörtes Arbeiten nötig – der häufige Hilferuf „Maaaama“ sicher nicht zielführend….
In den Dienstleistungsberufen, in der Hotellerie und Gastronomie sowie dem Kulturbereich sind viele Frauen beschäftigt und grade diese Branchen sind jetzt stark von den wirtschaftlichen Auswirkungen des zweiten Lockdowns betroffen. Bereits im Oktober 2020 stieg die Frauenarbeitslosigkeit in München um 63,2 %. Überproportional weggebrochen sind die Minijobs im gewerblichen Bereich. Frauen mit chronischen Erkrankungen, Behinderungen oder Migrationshintergrund, um nur einige Beispiele zu nennen, haben momentan kaum noch Chancen. (Quellen: Münchner Referat für Arbeit und Wirtschaft und Bericht der Gleichstellungsstelle für Frauen und Männer Oktober 2020)
Es besteht also dringender Handlungsbedarf und hier kommt Prof. Jutta Allmendinger, Jahrgang 1956 und seit über 30 Jahren mit dem Thema Geschlechtergerechtigkeit befasst, mit ihrer Analyse ins Spiel. Ihr Fazit: Männer arbeiten, Frauen arbeiten auch – und versorgen die Kinder. Männer verdienen, Frauen verdienen auch - aber bloß etwas dazu. Teilzeit und Elternzeit sind fast immer noch Frauensache, Führungspositionen, Karriere und hohe Gehälter Männersache.
Sie formuliert für die Zukunft vier Ziele:
Ziel 1: Die Entwicklung einer klaren familien- und arbeitsmarktpolitischen Ausrichtung. Das Ehegattensplitting ist absolut kontraproduktiv, verfestigt nur die finanzielle Abhängigkeit vom Partner und gehört zu Gunsten einer Familienbesteuerung abgeschafft. Österreich hat das bereits 2009 eingeführt. Auch geringfügige Beschäftigungsverhältnisse helfen den Frauen nicht wirklich weiter, da sie nicht rentenversichert sind beziehungsweise zu keiner ausreichenden Altersvorsorge führen.
Ziel 2: Angleichung der bezahlten und unbezahlten Arbeit zwischen Männern und Frauen. Ihr Vorschlag: Arbeitszeitreduzierung für alle, vielleicht eine 32 Stunden Woche? Hierbei geht es unter anderem auch um eine Umverteilung der sogenannten Care-Arbeit (z.B. Kinderbetreuung oder häusliche Pflege) und letztendlich auch um gleiche Karrieremöglichkeiten für beide Geschlechter sowie den Erwerb einer eigenen Altersabsicherung. Mit diesem Vorschlag würden auf Dauer die Hauptdefizite bei der Erreichung von Geschlechtergerechtigkeit behoben! Allerdings muss dann eine flächendeckende Kinderbetreuung gesichert sein.
Ziel 3: Gleicher Lohn für vergleichbare Erwerbsarbeit. Die Löhne müssen transparent gemacht werden in allen Betrieben, auch in Unternehmen mit unter 500 Beschäftigten, in denen die meisten Frauen arbeiten.
Ziel 4: Den Anteil von Frauen in Führungspositionen erhöhen. Dieses Ziel erreichen wir nur mit festen Quoten!
Jutta Allmendinger:“ Damit sind die wichtigsten Punkte benannt, wie wir echte Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern herstellen. Diese Umsteuerung unserer Gesellschaft kann und darf nicht Aufgabe der Frauen allein sein. Wir alle profitieren von einer gerechteren Gesellschaft. Wir alle müssen uns dafür einsetzen. Auch wenn zunächst wieder nur Frauen auf dem Podium sitzen und ihre Rechte erstreiten: Letztlich geht es nur gemeinsam!“
März, 2021
Anja Kolbe